Die Blaue Erde von Palmnicken

Überall ist es zu lesen:
vor über 40 Millionen Jahren floss der Eridanos gen Süden durch den Bernsteinwald. In seinem Mündungsdelta soll sich der Schlamm mit dem Harz der Bäume abgelagert haben, aus dem im Laufe der Jahrmillionen der Bernstein wurde.
Es gibt mittlerweile Zweifel an dieser Sichtweise, ausgelöst durch die genaue Untersuchung der Blauen Erde. Aber auf jeden Fall gibt es sie, die viele Meter mächtige ehemalige Schlammschicht, die sogenannte Blaue Erde mit dem reichlich darin vorkommenden Bernstein. Es gibt Stellen, da enthält ein Kubikmeter 2-3 Kilogramm Bernstein!
Der Name "Blaue Erde" müsste eigentlich "graugrüne Erde" heißen, denn das Mineral Glaukonit gibt der Erde diese typische Farbe.
Das Vorkommen erstreckt sich großflächig im früheren Samland, heute die russische Provinz Kaliningrad, und dort hauptsächlich um das ehemalige Palmnicken, heute Jantarny. Allerdings muss man dort tief graben, die Blaue Erde liegt an der Küste über 10 Meter, weiter im Binnenland sogar über 30 Meter tief und wird nach aufwendigen Erdarbeiten im Tagebau abgebaut.
Vor ein paar Jahren durfte ich zum ersten Mal die Grube betreten und sogar in der steilen Wand der Blauen Erde nach Bernstein graben. Innerhalb von 20 Minuten "förderte" ich mit Hilfe eines kleinen Taschenmessers und meiner Hände 300g Bernstein!


Zur Förderung:
nachdem der Abraum über der Blauen Erde abgetragen ist, schrapt ein Bagger mit seiner großen Schaufel eine Tonne Erde von der Blauen Wand, schwenkt um 180 Grad und lädt sie ab. Nun schwämmt ein Wasserstrahler die Erde auf, von Hand betätigt.


Der schmutzige Brei wird dann von großen Pumpen über kilometerlange Rohre ins Kombinat gepumpt. Dort wird der Bernstein herausgesiebt und der weiteren Verwendung zugeführt (pro Jahr einige hundert Tonnen!). Der übriggebliebene Brei fließt über ein anderes Rohrsystem in die Ostsee. Wenn man Glück hat, dann kann man dort so manches Stück Bernstein fischen - das ist allerdings ein Privileg der Einheimischen, die eine strenge Hierarchie aufgebaut haben. Trotzdem durfte ich mal mitfischen:


Lackfilm der Blauen Erde
Lackfilm

Ein Lackfilm dient dazu, die Sedimentschichten sozusagen im Bild festzuhalten.

Und so funktioniert das:
1. Eine plane Fläche wird (meist senkrecht) gestochen.
2. Die Fläche muss abtrocknen, was in der Blauen Erde fast nie geschieht.
3. Die Fläche wird mit einem Speziallack besprüht, der die Sandkörnchen, aber auch Steinchen usw. bindet.
4. Nach weiterem Besprühen mit Lack wird ein Gazetuch auf diese Fläche gedrückt.
5. Trocknen.
6. Das Tuch wird mit dem daran festklebenden Erdreich abgezogen.
7. In einen Rahmen gespannt kann man nun die Erdschichten betrachten, als ob man direkt vor dem Original stünde.

Auch kleinere Steinchen werden von dem Lack festgehalten, in diesem Fall die Bernsteine der Blauen Erde. Ein sicher einmaliger Beleg, denn ob sich solch günstige Gelegenheit überhaupt noch einmal bieten wird, ist äußerst fraglich.