Bernstein - Abenteuer Bitterfeld

Über diese faszinierenden Abenteuer des außergewöhnlichsten Bernsteinsammelns überhaupt schrieb ich tagebuchartig drei Bände:
1. Band: "Abenteuer Bitterfeld"
2. Band: "Bitterfeld II"
3. Band "Bitterfeld III", das ist der umfangreichste und enthält außer Berichten aus alten Zeiten auch die Entwicklung der Rekultivierung bis zum heutigen Stand.
Es folgte ein abschließender 4. Band, der über den heutigen Stand der Rekultivierung und das Leben am Bernsteinsee 2009 berichtet.

Und nun gibt es die gebundene Buchfassung, siehe unter Literaturneuerscheinungen!


Es gehörte zu den größten Erlebnissen, die ein begeisterter Bernsteinsammler erleben konnte: der Besuch der Gruben bei Bitterfeld/Leipzig.
Zunächst ein Rückblick:
Bereits im 17. Jh. wurde Bernstein in einer "Chursächßschen Chronicke" erwähnt, 1756 gab es die erste Veröffentlichung über "Sächsischen Bernstein". Die ersten Bernsteinfunde aus Bitterfeld selbst sind 1848 erwähnt. Gegen Ende des 19. Jh. begann die wirtschaftliche Nutzung, doch in geringem Maße. Anfang der 80er Jahre begann der ehemalige VEB Braunkohle mit dem industriellen Abbau, immerhin 30-50 Tonnen pro Jahr. Zur Verwertung: siehe Extra-Infoseite, wie auch Baltischer Bernstein.
Das Verwunderlichste: selbst die Anwohner, die direkt neben der Grube ihr Haus hatten, wussten nichts vom Bernstein, so geheim wurde der Abbau gehalten.

Nach der Grenzöffnung ruhte der Betrieb für einige Zeit. Einige ganz freche Sammler schleppten in dieser Zeit große Mengen Bernstein aus den Gruben, sogar aus den verwaisten Hallen der Waschanlage. Erst im Frühjahr 1992 nahm die Mitteldeutsche Braunkohle AG die Förderung mit einem neuen Verfahren wieder auf - Nassgewinnung mit Schwimmbagger:


Die Förderrate blieb weit unter den Erwartungen, so dass schon im Frühjahr 1993 das endgültige AUS war. Die Zeit der großen Bernsteinförderung war abgelaufen und man beschloss, den Tagebau zu rekultivieren und zu einem Naherholungszentrum mit vielen Seen umzugestalten. Die damals extra umgeleitete Mulde würde die Gruben schnell wieder fluten.
Leider erfuhr ich erst 1994 von dieser Grube und düste natürlich sofort dahin. Da keine richtige Förderung mehr stattfand, sondern nur Abriss- und Aufräumarbeiten, dachte ich zunächst, dass das Betreten der Gruben und das Bernsteinsammeln erlaubt sei.
Das konnte man auch gut denken, denn eine Menge Gleichgesinnter tummelte sich dort, verhielten sich aber auffallend komisch. Die Sammler blickten ständig nicht nur zum Boden, sondern in verschiedene Richtungen horizontal, rannten auf einem Mal in eine Senke oder "stürzten" sich in eine Furche, als ob sie einen Riesenbernstein gesehen hätten und ihn als erster aufgreifen wollten - und schon war die Grube "leer", kein Sammler mehr zu sehen. Den Grund dafür erfuhr ich dann am eigenen Leibe: ein Jeep kam mit großer Staubwolke angebraust, zwei Sicherheitskräfte erklärten mir unmissverständlich, dass das Betreten der Gruben strengstens verboten sei und ich sie sofort verlassen müsse - von einer Anzeige werde beim ersten Mal noch abgesehen.
Erst später las ich in der LAPIS:
"Immer wieder versuchen Sammler aus Ost und West in das Tagebaugelände einzudringen. Die meisten erleben jedoch eine herbe Enttäuschung - die Kötter-Security, ein von der Mibrag angeheuertes Sicherheitsunternehmen, bewacht das Gelände rund um die Uhr. Wer erwischt wird, zahlt Strafe und bekommt eine Anzeige."

Nun aber zu meinem ersten Besuch an einem sonnigen Frühjahrstag 1994. Ich stieg den steilen Grubenrand hinab in die schon aufgeheizte Grube (die kleinsten Sonnenstrahlen erwärmten die dunkle Erde und ließen es im Sommer unerträglich heiß werden). Dann traute ich meinen Augen nicht: überall lagen kleine Bernsteine verstreut:


Zunächst sammelte ich wild alles ein und hatte schnell einen kg-Beutel voll. Dann erkannte ich, dass ich das den ganzen Tag nicht durchhalten würde: bücken, einsammeln, aufrichten, bücken, aufsammeln, aufrichten - schon nach wenigen Stunden schmerzte mein Kreuz und die Beine waren lahm. Also: nur noch größere, feste Bernsteine ab Daumennagelgröße sammeln. Schon sehr erschöpft machte ich Mittagspause und deponierte (zum Glück!) ca. 6 kg Bernstein im Auto.


Aber dann trieb es mich wieder in die Grube, wo dann nach weiteren 2 kg das Ende meines Ausflugs in Form des Sicherheitsdienstes kam.
Von ganz frechen Sammlern hörte ich tolle Tricks: nach erstem Erwischen und Grubenverweis - das im Auto vorbereitete andere Hemd, die andere Jacke, eventuell eine Mütze und Brille - und auf der anderen Seite wieder in die Grube. Oder frühmorgens noch im Dunkeln in die Grube schleichen und sich nur weitab von den befahrbaren Wegen möglichst in Deckung aufhalten. Oder aus einem guten Versteck heraus den weißen Jeep abwarten und nach seinem Verschwinden schnell die gut einsehbaren Flächen ablaufen.
Gefährlich war es auch in der Grube: es gab metertiefe Schluchten, Abbruchkanten, unergründliche Schwämmsände, unterirdische Hohlräume (entstanden durch brennende Kohle, z.T. noch rauchend). Es soll so manchen Schwerverletzten und Toten gegeben haben...
Mit entsprechender Ausrüstung war des nachts die beste Sammel-, Grab- und Siebmöglichkeit. So hörte ich von einer Ausbeute von 4 Zentnern kleiner Bernsteine in einer Nacht und bekam folgendes Bild geschickt:


Leider begann in der zweiten Hälfte der 90er Jahre die Rekultivierung, die steilen Hänge wurden abgeflacht und die bernsteinträchtigen Schichten verschüttet, die Pumpen abgestellt, so dass die Gruben langsam vollliefen - aus der Traum eines jeden Bernsteinsammlers.


Ein Bitterfeldbesuch lohnt sich aber auch heute noch: die vollgelaufenen Gruben, die bewachsenen Ufer laden zu Wanderungen und Wassersport ein!

Anmerkung zum Bitterfelder Bernstein:

 

In älteren Veröffentlichungen wird von einem eigenständigen miozänen Bernstein gesprochen, ca. 20 Millionen Jahre alt. Neuere Untersuchungen zeigten, dass die Fauna mit der des Baltischen Bernsteins (ca. 40 Millionen Jahre alt) fast identisch ist – sogar identische Arten sind gefunden worden.

Im Miozan herrschte ein wesentlich kälteres Klima als im warm-gemäßigten bis subtropischen Klima vor 40 Millionen Jahren, identische Arten waren also nach so langer Zeit bei so verändertem Klima undenkbar. Das zeigt sich besonders bei den sehr empfindlich reagierenden Spinnenarten, die eine hohe Evolutionsgeschwindigkeit aufweisen: Schon allein die Beschreibung der kleinen Spinne Mysmena groehni aus der Familie Anapidae (Zwergkugelspinnen) sowohl im Bitterfelder als auch im Baltischen Bernstein reichte als Beweis schon aus, dass der Bitterfelder Bernstein auch Bernsteine eozänen Alters enthalten muss. Andererseits ist z. B. ein Käfer aus dem Bitterfelder Bernstein beschrieben worden, dessen Verwandte heute ein eher kühles Klima bevorzugen – also ein Hinweis auf miozänes Alter.

 

Gibt es vielleicht Bernsteine beider Altersstufen in der Bitterfelder Lagerstätte und der Streit um die Altersstellung (vgl. KRUMBIEGEL als Vertreter des miozänen Alters und WEITSCHAT für die eozäne Altersstellung) ging von falschen Annahmen aus? Ja, möglich – aber die Ausführungen dazu sprengten den Rahmen dieses Buches. In zwei Jahren werden durch Ivo Rappsilber und Carsten Gröhn Bücher mit ausführlichen Informationen dazu erscheinen.

 

 

 

 


Bitterfelder Bernstein – Förderung heute

 

Nachdem 1993 die Bernsteinförderung eingestellt wurde, begannen die Rekultivierungsarbeiten. Die Grube wurde entrümpelt, die Hänge abgeschrägt und langsam sollte dann die Grube geflutet werden, einerseits durch überläufe aus der benachbarten Mulde, andererseits durch das einsickernde Grundwasser. Man schätzte, dass die Flutung frühestens im Jahr 2010 abgeschlossen sein würde.

Und dann kam es überraschend ganz schnell anders:

Die große Flut von 2002 schaffte in kürzester Zeit vollendete Tatsachen. Nach starken Regenfällen führten Elbe und Mulde so viel Wasser, dass ein Damm brach und innerhalb von nur zwei Tagen der gesamte ehemalige Tagebau geflutet war.

Nun fragten sich viele, ob es nicht möglich sein könnte, weiterhin Bernstein zu fördern – nun aber vom Seegrund. Hobbytaucher haben es versucht

und festgestellt, dass man keinen Krümel Bernstein am Seegrund findet. Visionäre verbrachten schlaflose Nächte und grübelten über Möglichkeiten

des Bernstein-Nass-Abbaus.

Einer dieser Visionäre und Pioniere war HWM. Ab 2008 entwarf er einen Plan zur Bernsteinförderung von einer auf dem Wasser schwimmenden Anlage. Er listete eine umfangreiche Betriebskalkulation auf, beschrieb die einzusetzende Technik und entwickelte einen Zukunftsplan. Leider verweigerten die örtlichen Behörden die Genehmigung.

Die Situation änderte sich mit dem Verkauf der Goitzsche an die Blausee GmbH im Jahr 2013. Nun war auch der unter dem Seegrund liegende Bernstein in privater Hand.

HWM und CG erreichten im Frühjahr 2014 eine Genehmigung für einen Feldversuch zur Bernsteinforderung. Die Testphase dauerte lange. Zunächst erkundeten Taucher den Seegrund und pumpten Bodenmaterial

auf eine schwimmende Plattform. Später erfolgte die Förderung mit der Airlift-Technik. Starke Wasserstrahldüsen lockerten den Boden auf, der dann in ein großes Sieb auf der schwimmenden Plattform gesogen wurde.

2016 übernahm die Bernstein-Goitzsche Gmbh & Co OHG die Förderung mit hochprofessioneller Technik. Ein Schwimmbagger mit einem starren Saugrohr, an dessen Ende ein großer hydraulisch betriebener Bohrkranz montiert war, konnte nun über 20 kg Bernstein pro Tag fördern.

Demnächst werden zwei Bücher über den Bitterfelder Bernstein erscheinen: Ivo Rappsilber schreibt über die Geschichte des Bernsteinabbaus und die Entstehung der Lagerstätte, Carsten Gröhn schreibt über die Bernsteinförderung früher und heute und über die vielen Abenteuer.