Raritäten im Bernstein

Siehe dazu auch die Neuerscheinung eines sensationellen Buches:
Wasserinsekten im Baltischen Bernstein - ausführliche Beschreibung unter Literatur!



Ich möchte hier nach und nach einige ganz besondere Einschlüsse mit Foto vorstellen. So besondere, dass sie z.T. auch nur 1x im Baltischen Bernstein gefunden wurden. Die meisten davon sind wegen ihrer herausragenden Stellung wissenschaftlich beschrieben.
Ich habe diese Raritäten hier in systematischer Reihenfolge geordnet, beginne also mit den Würmern.

Nematoden
Wer weiß, wie Nematoden (und eigentlich gilt das ebenso für die anderen Würmer) leben, der kann ahnen, wie selten man sie im Bernstein findet.
Sie sehen hier eine Zuckmücke, aus der ein parasitischer Nematode kommt. Ganz sicher war er vorher vollständig im Mückenhinterleib (wie er da nur hineingepasst hat?!?!) und ist dann im Harz aus der Hinterleibsöffnung herausgekrochen.


Krebse im Bernstein
Ein Rätsel, dass auf dieser homepage an anderer Stelle beantwortet wird: wie kommen Wassertiere in den Bernstein?
Flohkrebse gliedern sich in die auch heute noch lebenden Gammariden und Niphargiden. Gammariden kennen wir als die kleinen "Hüpfer" am feuchten Ufer, auch an der Küste im angeschwemmten Seetang. Niphargiden, die Brunnenkrebse, gibt es bei uns nur noch in tiefen Brunnen oder in unterirdischen, wasserführenden Höhlen. Umso erstaunlicher, dass ich im Jahre 1999 meinen ersten und überhaupt den ersten im Bernstein bekannten Brunnenkrebs fand, der dann als Niphargus groehni beschrieben wurde!


Pseudoskorpione
Die Spinnentiere gliedern sich in die Untergruppen: Spinnen, Weberknechte, Walzenspinnen, Milben, Weberknechtsmilben, Skorpione und die Pseudoskorpione.
Pseudoskorpione kommen selten, aber regelmäßig im Bernstein vor. Raritäten sind sie aber dann, wenn sie als Aktionsstücke zu finden sind, z.B. als Phoresie, d.h. Transportbeziehung.
Sie lassen sich gerne von einem Ort zum anderen tragen, indem sie sich an einem zufällig vorbeilaufenden Insekt festhalten, wie hier schön zu sehen: zum einen am Bein einer Stelzmücke, zum anderen an einer Fliege.


Walzenspinne - Solifugae
Walzenspinnen bevorzugen einen eher trockenen Lebensraum, sind deshalb kaum im Baltischen Bernstein zu erwarten. Umso größer die Überraschung, dass ich bei der Durchsicht bisher unbestimmten Materials diesen Erstfund im Jahre 1999 machte - und obendrein auch noch ein perfekt erhaltenes Exemplar! Unser "Spinnenpabst" Jörg Wunderlich hat zusammen mit DUNLOP diese neue Ordnung (!) aus dem Baltischen Bernstein beschrieben: Palaeoblossia groehni.
Mittlerweile ist eine zweite Walzenspinne gefunden worden (2009), die nun im Danziger Museum liegt.


Ein Floh im Bernstein
Was soll einen Floh, egal ob von einem Säuger oder einem Vogel, dazu veranlasst haben, seinen Wirt zu verlassen? Wahrscheinlich der Umstand, dass das Wirtstier gestorben war und der Floh ihn verlassen musste. Dass er dann ins Harz geriet und auch noch gerade dieses Harz zu Bernstein wurde und dass dann auch noch gerade dieses Stück Bernstein gefunden wurde, das grenzt schon an einen kaum vorstellbaren Zufall. Aus dem Grunde sind bisher auch nur 5 Flöhe aus dem Baltischen Bernstein bekannt. Der "Flohpabst" Beaucournu aus Frankreich hat das Exemplar aus meiner Sammlung wissenschaftlich bearbeitet und als Palaeopsylla groehni beschrieben.


Ein Großflügler aus der Ordnung der Schlammfliegen
Insekten von über 10mm Größe gehören schon zu den Seltenheiten. Je größer ein Tier, desto mehr Kraft hat es auch und desto leichter kann es sich aus dem Harz befreien - sterben werden diese Tiere aber dann wohl trotzdem. Tiere über 20mm gehören zu den absoluten Raritäten und sind meist nur teilweise erhalten. Das bisher größte geflügelte vollständig erhaltene Insekt aus dem Baltischen Bernstein stellt diese Schlammfliege Chauliodes carsteni dar, mit einer Flügelspanne von 55mm (!!!) mit bloßem Auge auch von weitem sichtbar.
Ein Prachtexemplar, das ich gerne zu einem Schmuckanhänger gefertigt hätte. Die wissenschaftliche Bedeutung dieses einmaligen Fundes allerdings hatte Priorität. Er wurde zu einem weiteren HOLOTYPUS aus meiner Sammlung.
Die Größe dieser Ausnahmeinkluse kann man erahnen, wenn man sich die Langbeinfliege (auf dem Foto mit * gekennzeichnet) anschaut, die ja auch nicht gerade klein ist!


Netzflügler - Neuroptera
Die Vertreter dieser Gruppe werden auch als Hafte bezeichnet. Es gilt für alle: sie sind sehr selten im Bernstein, manche sogar Raritäten mit nur wenigen bekannten Exemplaren. Die kleinsten Tiere sind die Staubhafte (Coniopterygidae), ab und zu findet man Schwammfliegen (Sisyridae), etwas seltener Blattlauslöwen (Hemerobiidae). Alle anderen Hafte muss man zu den Raritäten rechnen, wie z.B. die Florfliegen und auch diese riesige Bachhafte:


Kamelhalsfliegen - Raphidioptera
Nahe mit den Netzflüglern verwandt, aber eine eigene Ordnung darstellend und genauso selten, sind die Kamelhalsfliegen. Man erkennt sie an dem langen "Kamelhals", der auch schon bei der ungewöhnlichen Larve zu erkennen ist, die ich ebenfalls im Bernstein fand!


Raptophasmatodea - der berühmte "Gladiator"
Eine Sensation, die in der Presse lange die Schlagzeilen beherrschte: eine neue Ordnung (!) wurde 2003 von Oliver Zompro entdeckt: eine Mischung aus Fangschrecke (Mantodea) und Stabschrecke (Phasmida).
Diese kräftigen außergewöhnlichen Tiere haben zwar die ungefähre Form einer Stabschrecke, doch kräftige Fangbeine und den typischen Dreieckskopf einer Gottesanbeterin mit den großen Räuberaugen. Eigentlich ein Wunder, dass niemand vorher diese Tiere als etwas Anderes und Besonderes erkannt hat. Auch ich hatte diese Rarität aus meiner Sammlung nicht als solches erkannt; sie wurde dann als Raptophasma groehni beschrieben.



Aber auch aus der "altbekannten" Ordnung der Stabschrecken (Phasmida) gibt es Überraschungen und neue Arten, hier der Holotyp Electrotimema carstengroehni:


Kurzfühlerschrecken
Von den Saltatoria, den "Heuschrecken", findet man fast immer nur die Langfühlerschrecken, fast nie Kurzfühlerschrecken. Das ist auch kein Wunder, denn Kurzfühlerschrecken (wie unsere "Grashüpfer") bevorzugen trockene Habitate, trockene Wiesen. Dass sie trotzdem als Raritäten im Bernstein zu finden sind, beweist, dass der Bernsteinwald sehr vielfältig ausgesehen haben muss.
Die häufigen Feuchtigkeit und Wärme liebenden Insekten zeigen zwar, dass es subtropisch warmfeuchtes Klima gewesen sein muss. Aber Termiten, Stabschrecken und diese Kurzfühlerschrecken weisen eben auch auf trockenere Habitate hin.
Interessant außerdem: das Insekt hat in seinem Todeskampf noch einen Kotballen abgegeben.


Käfer - Coleoptera
Käfer gehören zu den häufigen Einschlüssen, wenn man an Sumpfkäfer, Mulmkäfer usw. denkt.
Es gibt aber auch sehr selten vorkommende Familien, von denen ich einige wenige vorstellen möchte:
1. zeigt einen Kurzflügler, einen Erstfund, der als Bolitobius groehni veröffentlicht wurde.
2. zeigt einen Cupediden (kommt bei uns heute nicht mehr vor), ebenfalls ein Holotyp, Cupes groehni.
3. zeigt einen Fächerkäfer (Rhipiphoridae), gut an den ungewöhnlichen Fühlern zu erkennen. Dieser Holotyp ist als Pauroripidius groehni beschrieben.


Einer der schönsten und auch beidseitig am besten erhaltenen großen Käfer meiner Sammlung stellt dieser Prostomidae (Gattung Prostomis) dar, von dem nur einige wenige Exemplare aus dem Baltischen Bernstein bekannt sind.


Eidechsen im Bernstein
Sie gehören zu den Highlights, denn sehr selten sind vollständige Eidechsen erhalten. Meist konnten sie sich aus dem Harz befreien. Eine fast vollständige Eidechse liegt jetzt im Deutschen Bernsteinmuseum in Ribnitz-Damgarten. Ich hatte das große Glück, dieses Prachtexemplar bearbeiten zu dürfen. Es war im Rückenbereich ausgefressen, ansonsten vollständig erhalten. Ich habe den hohlen Bereich mit Kunstharz ausgefüllt und anschließend nach der Lackmethode konserviert. Hier das Foto des Kopfes, im Nackenbereich sieht man den offenen Rücken.


Säugerhaare - Lemuren (Halbaffen)
Zwar sehr selten, aber eben auch keine allergrößte Rarität: die dünnen Säugerhaare, die man manchmal im Bernstein findet. Den Ursprung konnte man bisher nicht feststellen, man vermutete rattenähnliche Kleinsäuger, denn die heutigen Säugerordnungen hatten sich noch nicht weit entwickelt.
Als Beispiel dafür mag das berühmte Urpferdchen gelten, das zur Zeit des Bernsteinwaldes lebte, aber noch wenig Ähnlichkeit mit den heutigen Pferden hatte.
Umso erstaunlicher, dass der Kriminolge FOOS 2006 in einem meiner "Haarbernsteine" die erste ordnungsmäßige Einstufung geben konnte: es handelt sich bei diesem Stück um Lemurenhaare, d.h. Halbaffen. Diese wurden auch in der Grube Messel gefunden, deren Fossilien gleiches Alter haben wie der Baltische Bernstein.
Man erkennt die Lemurenhaare - und nur diese besitzen diese Eigentümlichkeit - an den Cutikulahaken. Bei starker Vergrößerung und in der elektronenmikroskopischen Aufnahme gut zu erkennen. Weitere Besonderheit: ein Haar hat auch seine Haarwurzel hinterlassen.


Pflanzliche Einschlüsse
Da Pflanzen bekanntlich nicht fliegen können, höchstens in getrocknetem Zustand mit dem Wind verweht werden oder einfach vom Baum abfallen, sind sie verständlicherweise im Bernstein selten. Nur die Sternhaare der Eiche kommen massenhaft vor.
Auch hier möchte ich systematisch vorgehen, d.h. über Moose, Farne zu den Nadelhölzern und dann zu den höheren Blütenpflanzen kommen.
Das Laubmoos Plagiochila groehni ist ein Erstfund, nur ganz wenige Exemplare sind bisher gefunden worden. Laubmoose an sich sind dagegen keine Raritäten, aber Seltenheiten.


Farne sind absolute Raritäten. Diese kräftigen Pflanzen werfen ihre Blätter auch nicht ab, sie vertrocknen am Stängel.


Eine Kiefern-Doppelnadel sollte man eigentlich häufiger im Bernstein vermuten, soll doch die Kiefer der Hauptharzproduzent im Bernsteinwald gewesen sein.
Tatsächlich aber sind Kiefernnadeln äußerst selten und wenn ein Nachweis gefunden wird, dann meist nur als stark verwittertes "Rohr", das durch den Bernstein zieht. Hat ein Einschluss Kontakt zur Oberfläche, dann verwittert der Bernstein auch von innen schnell. Kiefernnadeln sind wesentlich länger als andere Nadeln, sehr hart und kaum biegsam. So wurden sie auch selten vollständig ins Harz eingeschlossen.